Wie geht es weiter mit den Barbershops?

Der Barber-Pole: Symbol einer männlichen Renaissance

25/12/2018

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Manch einer mag sie für eine Süßigkeitenstange halten, andere für ein verspieltes Windrad. Doch die rot-weiß-blau gestreiften Zylinder, die zunehmend an Fassaden in unseren Städten auftauchen, sind weit mehr als nur Dekoration. Sie sind das unverkennbare Zeichen einer aufblühenden Branche: der Barbershops. Diese sogenannten Barber-Poles, oder Barbierpfosten, sind nicht nur ein optischer Blickfang, sondern tragen eine jahrhundertealte, blutige Geschichte in sich und signalisieren eine Rückkehr zur Männlichkeit in der Haarpflege.

Wie geht es weiter mit den Barbershops?
Denn: Barbershops boomen. In der Friseurbranche führt die Entwicklung weg vom Unisex-Salon hin zum genderspezifischen. Jahrzehntelang gingen Frauen und Männer in Deutschland zum selben Friseur. Jetzt haben Männer wieder - wie ganz früher - ihre eigene Anlaufstelle, wenn es um das Haare schneiden und Bart trimmen geht.
Inhaltsverzeichnis

Die geheimnisvolle Geschichte des Barber-Poles

Die Ursprünge des ikonischen Barber-Poles reichen tief ins Mittelalter zurück, eine Zeit, in der die Rolle des Barbiers weit über das bloße Schneiden von Haaren und Bärten hinausging. Damals waren Barbier und Chirurg oft ein und dieselbe Person, bekannt als "Barbier-Chirurgen". Neben dem Rasieren und Haareschneiden führten sie auch medizinische Eingriffe durch. Zu ihren Aufgaben gehörten Aderlässe, Zahnextraktionen, das Setzen von Schröpfköpfen und sogar kleinere Operationen. Es war eine Ära, in der medizinische Praktiken noch in den Kinderschuhen steckten und die Grenzen zwischen Handwerk und Heilkunst fließend waren.

Die legendären Erklärungen für die Farben des Barber-Poles sind vielfältig und oft makaber. Eine weit verbreitete Theorie besagt, dass die roten Streifen das arterielle Blut symbolisieren, das blaue Band das venöse Blut und das Weiß die sauberen Verbände, die bei den medizinischen Prozeduren zum Einsatz kamen. Eine andere, ebenso anschauliche Erklärung besagt, dass die Barbier-Chirurgen nach einem Aderlass die blutgetränkten Verbände an einem Pfosten zum Trocknen aufhängten. Der Wind wickelte die feuchten Tücher um den Pfahl, wodurch die charakteristischen spiralförmigen Streifen entstanden. Manchmal wurde auch eine Messingschale an der Unterseite angebracht, um das gesammelte Blut aufzufangen, und eine weitere an der Oberseite, um die Blutegel aufzubewahren, die ebenfalls für medizinische Zwecke verwendet wurden. Diese blutige Vergangenheit ist ein faszinierender Aspekt der Barbierkultur, der bis heute in diesem Symbol weiterlebt.

Interessanterweise war der Barber-Pole ursprünglich nur rot und weiß. Der blaue Streifen kam erst später hinzu, beeinflusst durch die amerikanischen Nationalfarben. In den Vereinigten Staaten wurde der Barber-Pole zu einem allgemeinen Erkennungszeichen für Friseure, und die Hinzunahme des Blaus diente wohl auch Werbezwecken, um eine patriotische Note zu verleihen. Obwohl Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks, betont, dass die Farben nichts mit den "Stars and Stripes" der USA-Flagge zu tun haben, ist der amerikanische Einfluss auf die heutige Optik unbestreitbar.

Die optische Täuschung des Barber-Poles – Die Barber-Pole-Illusion

Neben seiner historischen Bedeutung ist der Barber-Pole auch für ein faszinierendes Phänomen bekannt: die "Barber-Pole-Illusion". Dabei handelt es sich um eine optische Täuschung, bei der das Gehirn die Drehung des Zylindergehäuses mit den schraubenförmigen Streifen nicht als Horizontalbewegung wahrnimmt. Stattdessen erscheint es, je nach Rotationsrichtung, als würden sich die Streifen kontinuierlich nach oben oder unten bewegen. Dieses Phänomen ist ein Paradebeispiel dafür, wie unser Gehirn visuelle Informationen interpretiert und verarbeitet, und macht den Barber-Pole zu einem noch faszinierenderen Objekt.

Der Barbershop-Boom in Deutschland – Eine männliche Renaissance

In den letzten Jahren hat sich das Stadtbild Deutschlands verändert. Tausende von Barber-Poles sind aufgetaucht, denn Barbershops boomen. Diese Entwicklung markiert eine deutliche Abkehr vom jahrzehntelangen Trend des Unisex-Salons. Wo einst Männer und Frauen denselben Friseur besuchten, haben Männer heute wieder – ganz wie in früheren Zeiten – ihre eigene Anlaufstelle für Haarschnitte, Bartpflege und Rasur. Sie sind nicht länger der "klägliche Kundenrest", der zwischen Dauerwelle und Farbe für Frauen eingeschoben wird, sondern eine eigenständige und geschätzte Klientel.

Micha Birkhofer, ein anerkannter Barbershop-Experte und Großhändler, schätzt die Zahl der reinen Barbershops in Deutschland auf etwa 1.200. Vor nur fünf Jahren waren es demnach erst rund 250. Zählt man die sogenannten 10-Euro-Billigläden hinzu, geht Birkhofer sogar von bis zu 2.500 Barber-Läden bundesweit aus. Diese Zahlen sprechen Bände über die rasant wachsende Beliebtheit dieser spezialisierten Salons. Birkhofer, dessen Firma 1o1Barbers in Waiblingen bei Stuttgart sogar Wettbewerbe wie die German oder European Barber Awards veranstaltet, ist ein Insider der Branche und bestätigt den anhaltenden Aufwärtstrend.

Was treibt diesen Boom an? Jörg Müller vom Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks spricht von einer "Retrowelle der Männlichkeit". Die Herren von heute legen viel mehr Wert auf Selbstoptimierung und ein gepflegtes Äußeres als frühere Generationen. Barbershops sind das wohl sichtbarste Zeichen dieser Entwicklung. Sie bieten Männern einen Raum, der ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist – fernab vom oft femininen Ambiente traditioneller Friseursalons.

Mehr als nur Haarschnitte – Das Barbershop-Erlebnis

Barbershops sind oft mehr als nur Orte, an denen Haare geschnitten und Bärte getrimmt werden. Viele dieser Läden bieten ein umfassendes "Männer-Erlebnis" an. Das kann von Whisky- oder Gin-Verkostungen über Zigarren bis hin zu integrierten Maßhemden-Manufakturen reichen. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Männer wohlfühlen, entspannen und austauschen können. Oft sind diese Barbershops auch von türkischen oder arabischen Traditionen geprägt, was sich in der Gastfreundschaft, den angebotenen Tees und der oft detailverliebten Einrichtung widerspiegelt. Die Kombination aus traditionellem Handwerk und einem modernen Lifestyle-Angebot macht den Reiz aus.

Auch wenn die sogenannte "Hipster-Welle" und der Hype um den Vollbart in ihrer extremsten Form möglicherweise wieder abebben, bleibt der männliche Wille zum Gutaussehen ein Langzeit-Trend, so Müller. Dies zeigt sich nicht nur in der Zunahme spezialisierter Hairstylisten, sondern auch in den steigenden Absatzzahlen für Herrenkosmetik. Marken wie "Butcher's Son" aus Egelsbach bei Frankfurt am Main versprechen "ehrliche Pflege für echte Kerle" und bieten Körper-, Gesichts- und Bartpflegeprodukte an, die passenderweise mit den Farben Weiß, Rot und Blau versehen sind – eine Hommage an den Barber-Pole.

Die Attraktivität der Barbershops liegt in ihrer Fähigkeit, ein Gefühl von Gemeinschaft und Männlichkeit zu vermitteln. Es ist ein Ort, an dem Männer nicht nur ihre äußere Erscheinung pflegen, sondern auch eine Auszeit vom Alltag nehmen können, um sich unter Gleichgesinnten zu entspannen und zu regenerieren. Diese spezialisierten Dienstleistungen und das Ambiente schaffen eine treue Kundschaft, die den Wert eines auf sie zugeschnittenen Services zu schätzen weiß.

Barbershop vs. Unisex-Salon – Ein Vergleich

Um die Einzigartigkeit der Barbershops besser zu verstehen, lohnt sich ein Vergleich mit den traditionellen Unisex-Friseursalons:

MerkmalTraditioneller Unisex-SalonModerner Barbershop
ZielgruppeMänner, Frauen, KinderPrimär Männer
DienstleistungenHaarschnitte (Damen/Herren), Colorationen, Dauerwellen, Hochsteckfrisuren, StylingHerrenhaarschnitte, Bartpflege (Trimmen, Rasur mit heißer Kompresse), Kopfmassagen, Gesichtsbehandlungen für Männer
AtmosphäreOft hell, modern, geschlechtsneutral, manchmal eher "feminines" AmbienteRustikal, maskulin, retro-inspiriert, oft mit Lederstühlen, dunklem Holz, Vintage-Dekor
ZusatzangeboteVerkauf von HaarpflegeproduktenGetränke (Kaffee, Bier, Whisky), Zigarren, Herrenkosmetik, Gespräche über Männerthemen
FokusBreites Spektrum an Frisuren und Behandlungen für alle GeschlechterSpezialisierung auf Herrenhaarschnitte und Bartpflege, traditionelle Rasurtechniken
PreisniveauVariiert stark, oft mittel bis hochKann höher sein aufgrund spezialisierter Dienstleistungen und des Erlebnisses

Dieser Vergleich verdeutlicht, dass Barbershops nicht nur eine Modeerscheinung sind, sondern eine Antwort auf ein spezifisches Bedürfnis der männlichen Kundschaft. Sie bieten eine tiefere Spezialisierung und ein maßgeschneidertes Erlebnis, das in einem Unisex-Salon oft nicht zu finden ist.

Häufig gestellte Fragen zu Barbershops und Barber-Poles

Was ist ein Barber-Pole?
Ein Barber-Pole ist ein traditionelles Erkennungszeichen für Barbiere und Friseure. Es handelt sich um eine vertikale Stange mit spiralförmigen Streifen, meist in Rot, Weiß und Blau, die sich oft dreht. Historisch symbolisierten die Farben Blut und Verbände aus der Zeit, als Barbiere auch chirurgische Eingriffe durchführten.

Sind Barbershops nur für Männer?
Ja, in der Regel sind Barbershops ausschließlich auf die männliche Kundschaft spezialisiert. Sie bieten Dienstleistungen wie Herrenhaarschnitte, Bartpflege, traditionelle Rasuren und spezielle Gesichtspflege für Männer an. Das Ambiente und die Zusatzangebote sind ebenfalls auf Männer zugeschnitten.

Was ist der Unterschied zwischen einem Barbier und einem Friseur?
Historisch war der Barbier (Barber) primär für Haarschnitte und Rasur bei Männern zuständig und führte auch kleine medizinische Eingriffe durch. Der Friseur (Hairdresser/Coiffeur) hat sich später stärker auf das Styling und Schneiden von Haaren für beide Geschlechter, insbesondere aber für Frauen, spezialisiert. Heute ist ein Barbier ein spezialisierter Friseur für Männer, der oft traditionelle Techniken der Bartpflege und Rasur beherrscht und ein maskulines Ambiente bietet.

Warum boomen Barbershops in Deutschland?
Der Boom ist Teil einer "Retrowelle der Männlichkeit" und des gestiegenen Interesses an männlicher Selbstoptimierung und Pflege. Männer suchen einen spezialisierten Ort, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, ein maskulines Ambiente bietet und oft zusätzliche Erlebnisse wie Getränke oder spezielle Produkte bereithält.

Sind Barbershops teurer als normale Friseure?
Das kann variieren. Während es "10-Euro-Barber-Läden" gibt, sind viele hochwertige Barbershops aufgrund ihrer spezialisierten Dienstleistungen, der traditionellen Handwerkskunst (z.B. Nassrasur mit heißer Kompresse) und des umfassenden "Erlebnis"-Angebots oft preislich etwas höher angesiedelt als ein durchschnittlicher Friseursalon. Die Qualität und das Ambiente rechtfertigen für viele Kunden den Preis.

Welche speziellen Dienstleistungen bietet ein Barbershop an?
Neben klassischen Herrenhaarschnitten bieten Barbershops oft detaillierte Bartpflege an, die das Trimmen, Formen und eine professionelle Nassrasur mit heißen Tüchern, Pre-Shave-Öl, Rasierschaum und Aftershave umfasst. Auch Gesichtsbehandlungen, Augenbrauenformen und manchmal sogar Haarentfernung an Ohren und Nase gehören zum Repertoire.

Der Barber-Pole und die Barbershops sind mehr als nur ein Trend; sie sind ein Ausdruck einer sich wandelnden männlichen Identität und des Bedürfnisses nach spezialisierter Pflege und Gemeinschaft. Von ihren blutigen Ursprüngen im Mittelalter bis hin zu den modernen Oasen der Männlichkeit bieten Barbershops eine einzigartige Verbindung von Tradition, Handwerk und Lifestyle. Sie sind ein klares Zeichen dafür, dass das gepflegte Erscheinungsbild für Männer zu einem festen Bestandteil des modernen Lebens geworden ist, und der Barber-Pole wird weiterhin leuchtend und drehend daran erinnern, dass hier ein Ort ist, an dem Männer ihre Bestform erreichen können. Die "Retrowelle der Männlichkeit" ist gekommen, um zu bleiben, und mit ihr die unverwechselbaren Zeichen der Barbershops, die das Stadtbild bereichern und eine Geschichte erzählen, die es wert ist, gehört zu werden.

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