Warum Friseure einst „Merlan“ genannt wurden

25/08/2025

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Das Friseurhandwerk ist so alt wie die menschliche Zivilisation selbst. Über Jahrtausende hinweg hat es sich ständig weiterentwickelt, von einfachen Haarschnitten bis hin zu komplexen Stylings, die ganze Epochen prägten. Doch mit den Veränderungen des Berufs wandelt sich auch die Sprache, die ihn beschreibt. Manchmal entstehen dabei kuriose Spitznamen, die tief in der Geschichte verwurzelt sind. Einer dieser faszinierenden Spitznamen, der uns ins Frankreich des 18. Jahrhunderts zurückführt, ist „Merlan“ – der Wittling. Eine ungewöhnliche Bezeichnung für einen Friseur, die auf den ersten Blick rätselhaft erscheinen mag. Doch bei genauerer Betrachtung offenbart sich eine lebendige, pudergeschwängerte Geschichte, die uns viel über die damaligen Mode- und Hygienegewohnheiten verrät.

Pourquoi les coiffeurs étaient-ils comparés à des merlans ?
Les coiffeurs de l'époque avaient pour habitude de poudrer les perruques de leurs clients, si bien qu'ils avaient eux-mêmes le visage et les habits recouverts de poudre. Ils ressemblaient donc à des merlans, ce poisson qui est enfariné avant d'être cuit à la poêle.

Begleiten Sie uns auf eine Zeitreise in die Ära der opulenten Perücken und entdecken Sie, wie die tägliche Arbeit der Perückenmacher zu diesem einzigartigen Spitznamen führte. Wir werden beleuchten, welche Rolle die Mode am Hofe von Louis XV. spielte, warum Puder so unverzichtbar war und wie sich der Beruf des Friseurs von damals bis heute gewandelt hat. Tauchen Sie ein in die Welt der Haarkunst, die einst so anders war und doch die Wurzeln unseres heutigen Verständnisses von Schönheit und Pflege legte.

Inhaltsverzeichnis

Die Blütezeit der Perücken: Ein Statussymbol des Adels

Das 18. Jahrhundert, insbesondere die Zeit der Aufklärung und des Rokoko, war eine Ära des Glanzes und der Extravaganz in Europa. Am französischen Hof, allen voran unter der Regentschaft von Louis XV., erlebte die Mode eine beispiellose Entwicklung. Ein zentrales Element dieser Mode waren die Perücken. Sie waren weit mehr als nur eine Kopfbedeckung; sie waren ein unverkennbares Statussymbol, ein Ausdruck von Reichtum, Macht und sozialer Stellung. Je größer, aufwendiger und kunstvoller eine Perücke war, desto höher stand ihr Träger in der gesellschaftlichen Hierarchie.

Die Perücken des 18. Jahrhunderts waren wahre Kunstwerke. Sie wurden aus Echthaar, Tierhaaren oder sogar Pflanzenfasern gefertigt und oft mit Drahtgestellen, Bändern, Federn, Blumen und sogar kleinen Miniaturfiguren verziert. Männer trugen oft die berühmten „Allongeperücken“ oder „Zöpfe“, während Frauen mit „Pouf“-Frisuren und komplizierten Hochsteckfrisuren, die manchmal bis zu einem Meter hoch waren, beeindruckten. Diese Frisuren waren nicht nur aufwendig in der Herstellung, sondern auch in der Pflege. Hier kamen die Perückenmacher, die damaligen Friseure, ins Spiel.

Der Beruf des Perückenmachers war hoch angesehen und erforderte großes handwerkliches Geschick sowie ein tiefes Verständnis für Ästhetik. Sie waren nicht nur Handwerker, sondern auch Künstler, die die neuesten Trends vom Hofe umsetzten und individuelle Kreationen für ihre wohlhabenden Kunden schufen. Ihre Salons waren Treffpunkte der Gesellschaft, wo nicht nur Haare, sondern auch Neuigkeiten und Klatsch ausgetauscht wurden. Doch die Arbeit in diesen Salons war, wie wir sehen werden, alles andere als sauber.

Die Rolle des Puders: Hygiene und Ästhetik im 18. Jahrhundert

Um die Entstehung des Spitznamens „Merlan“ zu verstehen, müssen wir uns mit einer damals weit verbreiteten, aus heutiger Sicht eher ungewöhnlichen Praxis befassen: dem Pudern der Haare und Perücken. Im 18. Jahrhundert waren die Hygienestandards, wie wir sie heute kennen, noch nicht etabliert. Regelmäßiges Waschen der Haare oder des Körpers mit Wasser war nicht üblich, oft aus Mangel an Zugang zu sauberem Wasser oder aus der Überzeugung, dass Wasser schädlich für die Gesundheit sei. Folglich neigten Haare und Perücken dazu, schnell fettig, schmutzig und geruchsintensiv zu werden.

Hier kam das Puder ins Spiel. Es diente mehreren Zwecken: Erstens absorbierte es Fett und Schmutz, kaschierte unangenehme Gerüche und verlieh den Haaren ein frischeres Aussehen. Zweitens trug es zur Ästhetik bei. Weiße oder leicht getönte Perücken waren der letzte Schrei, und Puder half dabei, diesen gewünschten Farbton zu erzielen. Das Puder bestand oft aus Stärke (Reis- oder Weizenstärke), Talkum, Alabasterpulver oder Gips und wurde manchmal mit Duftstoffen wie Orangenblüte, Rose oder Lavendel parfümiert, um die darunterliegenden Gerüche zu überdecken.

Pourquoi on dit Merlan ?
d'où vient le surnom de merlan pour les coiffeurs. A la grande époque des perruques, les coiffeurs (perruquiers) devaient les poudrer pour masquer la crasse (on n’utilisait pas d’eau). Ces poudres étaient parfumées et contenaient de l’amidon.

Der Prozess des Puderns war eine staubige Angelegenheit. Der Perückenmacher nahm eine große Puderquaste oder eine Art Blasebalg und bestäubte die Perücke oder die Haare seines Kunden großzügig mit dem feinen weißen Pulver. Dies geschah oft in einem speziellen Puderraum oder unter einem Tuch, um die Kleidung des Kunden zu schützen. Doch der Perückenmacher selbst war dem Puderregen ungeschützt ausgesetzt. Bei jeder Anwendung stieg eine feine, weiße Wolke auf und legte sich wie ein Schleier über den gesamten Raum und vor allem über die Person, die die Arbeit verrichtete.

Vom Perückenmacher zum „Merlan“: Die Entstehung eines Spitznamens

Stellen Sie sich einen Perückenmacher vor, der täglich stundenlang in einer Wolke aus feinem, weißen Puder arbeitet. Dieses Puder setzte sich unweigerlich auf seiner Kleidung, in seinen Haaren, auf seinem Bart und vor allem auf seinem Gesicht ab. Nach kurzer Zeit war er von Kopf bis Fuß mit einer feinen weißen Schicht bedeckt. Sein Gesicht wirkte blass, fast „bemehlt“. Und genau hier liegt der Ursprung des Spitznamens „Merlan“.

Der „Merlan“ (deutsch: Wittling) ist ein Fisch, der in der französischen Küche traditionell vor dem Braten in Mehl gewendet wird. Diese Zubereitungsart verleiht dem Fisch eine charakteristische weiße, bemehlte Oberfläche. Die optische Ähnlichkeit zwischen dem mit Puder bedeckten Perückenmacher und dem in Mehl gewendeten Wittling war so frappierend und humorvoll, dass sich der Spitzname schnell etablierte. Es war eine bildhafte, fast spöttische Bezeichnung, die jedoch die Realität des Berufs treffend beschrieb. Der Friseur sah aus, als wäre er selbst „paniert“ oder „bemehlt“ worden, genau wie der Fisch.

Die Redewendung „aller chez le merlan“ (wörtlich: zum Wittling gehen) wurde im 18. Jahrhundert zu einem gängigen Ausdruck für „zum Friseur gehen“. Es war ein ironischer, aber weit verbreiteter Begriff, der die Allgegenwart der Perücken und des Puderns in der damaligen Gesellschaft widerspiegelte. Dieser Spitzname ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Sprache alltägliche Beobachtungen und spezifische berufliche Praktiken aufgreift und in lebendige Ausdrücke verwandelt.

Die Redewendung „Chez le Merlan“: Eine sprachliche Zeitreise

Die Ausdrucksweise „aller chez le merlan“ ist ein faszinierendes Relikt aus dem 18. Jahrhundert, das uns einen Einblick in die damalige Alltagssprache gewährt. Es zeigt, wie prägnant und bildhaft die Menschen damals ihre Umgebung und die darin agierenden Personen beschrieben. Obwohl der Begriff „Merlan“ für Friseure heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist und nur noch von Sprachhistorikern oder Liebhabern alter Redewendungen gekannt wird, zeugt er von einer Zeit, in der das Friseurhandwerk eine zentrale Rolle im öffentlichen Leben spielte.

Die Wahl des Fisches Wittling als Vergleichsobjekt ist dabei besonders aufschlussreich. Es hätte viele andere weiße Substanzen gegeben, die sich auf einer Person ablagern konnten, doch die Assoziation mit dem in Mehl gewendeten Fisch, der für die Küche vorbereitet wird, war offenbar so stark und verbreitet, dass sie sich in der Volkssprache festsetzte. Es war nicht nur das Weiß des Puders, sondern auch die Art und Weise, wie es sich auf der Oberfläche des Perückenmachers verteilte, die an den bemehlten Fisch erinnerte.

Pourquoi dit-on aller chez le merlan ?
Volatile, cette poudre blanche se déposait sur le visage et les vêtements des perruquiers qui, enfarinés, ressemblaient a des merlans. Poisson que l’on enduit de farine avant de faire cuire. D’où l’expression « aller chez le merlan ».

Dieser Spitzname ist ein Paradebeispiel für eine Metonymie oder Synekdoche, bei der ein Teil (die bepuderte Erscheinung) für das Ganze (den Friseur) steht oder eine Eigenschaft den gesamten Beruf benennt. Solche sprachlichen Phänomene sind in der Geschichte weit verbreitet und spiegeln oft humorvoll oder spöttisch die Realität des Lebens und Arbeitens wider. Während wir heute einfach „zum Friseur gehen“ oder „zum Coiffeur“ sagen, trug der Ausdruck „chez le merlan“ eine ganze Geschichte von Puderwolken, opulenten Perücken und einer längst vergangenen Modeepoche in sich.

Vergleich: Friseurberuf damals und heute

Der Blick auf den „Merlan“ des 18. Jahrhunderts und den modernen Friseur von heute offenbart eine bemerkenswerte Evolution des Berufs. Obwohl das grundlegende Ziel – das Styling und die Pflege der Haare – dasselbe geblieben ist, haben sich die Methoden, Werkzeuge und die gesamte Arbeitsumgebung drastisch verändert.

Merkmal18. Jahrhundert (Perückenmacher)Heute (Friseur)
HauptaufgabeHerstellung, Reparatur und Puderauftrag von Perücken, gelegentlich HaarschnittHaarschnitt, Styling, Färben, Dauerwelle, Pflege, Bartpflege
HygienePuder zur Geruchs- und Schmutzkaschierung; seltenes HaarewaschenRegelmäßiges Haarewaschen; Fokus auf Sauberkeit und Sterilisation der Werkzeuge
WerkzeugePuderquasten, Blasebälge, Kämme, Lockenstäbe (oft beheizt), spezielle Perückenständer und -rahmenScheren, Rasiermesser, Föhne, Glätteisen, Lockenstäbe (elektrisch), Bürsten, Kämme, Färbeutensilien
KundenkreisHauptsächlich Adel, reiches Bürgertum und Oberschicht; Perücken als StatussymbolBreite Bevölkerungsschicht; Haarschnitt und Styling als Teil der persönlichen Pflege und Mode
ArbeitskleidungOft formell, aber durch Puder ständig weiß befleckt; keine spezielle SchutzkleidungSauber, funktional, oft einheitlich (Salonkleidung); Schürzen und Handschuhe zum Schutz
WahrnehmungHandwerker, Künstler, Dienstleister für die Elite; Beruf oft staubig und körperlich anstrengendStylist, Berater für Schönheit und Haargesundheit; moderner Dienstleistungsberuf mit kreativem und technischem Anspruch
ArbeitsumfeldOft staubige, geschlossene Räume; Puderwolken allgegenwärtigHelle, saubere Salons mit guter Belüftung; Fokus auf Kundenkomfort und Ästhetik

Während der Perückenmacher des 18. Jahrhunderts in einer ständigen Puderwolke lebte und arbeitete, sind moderne Friseure heute Meister der Präzision und Kreativität. Die Werkzeuge sind technologisch fortgeschritten, die Hygienestandards sind unvergleichlich höher, und die Dienstleistungen sind vielfältiger. Der Beruf hat sich von der reinen Handwerkskunst der Perückenpflege zu einem umfassenden Schönheits- und Wellnessdienstleister entwickelt, der sich ständig an neue Trends und Technologien anpasst. Der Staub des Puders ist dem Duft von Shampoo und Stylingprodukten gewichen, und der „Merlan“ ist zu einem Fachmann für individuelle Haarbedürfnisse geworden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Merlan“?

„Merlan“ ist der französische Name für den Fisch Wittling (Merlangius merlangus). In einem historischen Kontext, insbesondere im Frankreich des 18. Jahrhunderts, wurde es jedoch auch als Spitzname für Friseure oder Perückenmacher verwendet.

Warum wurden Friseure „Merlan“ genannt?

Friseure (Perückenmacher) im 18. Jahrhundert verwendeten große Mengen weißen Puders (oft aus Stärke oder Talkum), um die damals modischen Perücken zu pflegen und zu stylen. Dieses Puder setzte sich auf ihrer Kleidung, ihren Haaren und Gesichtern ab, wodurch sie weiß und „bemehlt“ aussahen. Diese Erscheinung erinnerte an den Wittling, der in der französischen Küche traditionell vor dem Braten in Mehl gewendet wird und dadurch ebenfalls eine weiße, bemehlte Oberfläche erhält. Die visuelle Ähnlichkeit führte zu diesem Spitznamen.

Wann entstand dieser Spitzname?

Der Spitzname „Merlan“ für Friseure entstand im 18. Jahrhundert, während der Hochphase der Perückenmode, insbesondere unter der Regentschaft von Louis XV. in Frankreich. Die Redewendung „aller chez le merlan“ (zum Friseur gehen) war zu dieser Zeit weit verbreitet.

Pourquoi les coiffeurs étaient-ils comparés à des merlans ?
Les coiffeurs de l'époque avaient pour habitude de poudrer les perruques de leurs clients, si bien qu'ils avaient eux-mêmes le visage et les habits recouverts de poudre. Ils ressemblaient donc à des merlans, ce poisson qui est enfariné avant d'être cuit à la poêle.

Wird der Begriff heute noch verwendet?

Nein, der Begriff „Merlan“ für Friseure ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Er wird nur noch selten in historischen Kontexten oder von Personen verwendet, die sich mit alten französischen Redewendungen und Sprachgeschichte beschäftigen. Im modernen Französisch benutzt man „coiffeur“ oder „friseur“.

Welche Rolle spielte Puder für Perücken?

Puder spielte eine entscheidende Rolle bei der Pflege und Ästhetik von Perücken im 18. Jahrhundert. Da Haare und Perücken aufgrund mangelnder Hygiene selten gewaschen wurden, diente das Puder dazu, Fett und Schmutz zu absorbieren, unangenehme Gerüche zu überdecken und den Perücken das gewünschte weiße oder pastellfarbene Aussehen zu verleihen. Es gab den Perücken auch Volumen und Form und war ein unverzichtbarer Bestandteil der damaligen Haarmode.

Gab es ähnliche Spitznamen für andere Berufe?

Ja, in vielen Kulturen und Epochen gab es für verschiedene Berufe spöttische, beschreibende oder humorvolle Spitznamen. Diese Spitznamen entstanden oft aus Beobachtungen der Arbeitsweise, der typischen Kleidung, der Werkzeuge oder der Produkte, die mit dem Beruf verbunden waren. Sie sind ein Zeugnis der lebendigen Alltagssprache und der sozialen Wahrnehmung von Berufen in bestimmten historischen Kontexten.

Fazit: Ein Blick zurück in die Welt der Haarkunst

Die Geschichte des Friseurhandwerks ist reich an faszinierenden Details und überraschenden Wendungen. Der Spitzname „Merlan“ für Friseure ist ein charmantes Beispiel dafür, wie eng Sprache, Mode und soziale Praktiken miteinander verknüpft sind. Er entführt uns in eine Zeit, in der Perücken ein unentbehrliches Statussymbol waren und das Puder eine zentrale Rolle in der Haarpflege spielte. Die Vorstellung eines Perückenmachers, der so sehr in seine Arbeit vertieft war, dass er selbst wie ein bemehlter Fisch aussah, ist nicht nur amüsant, sondern auch ein lebendiges Bild einer längst vergangenen Ära.

Auch wenn der „Merlan“ heute nur noch eine Fußnote in den Geschichtsbüchern ist, erinnert er uns daran, dass Berufe sich ständig weiterentwickeln und ihre Bezeichnungen oft die Eigenheiten ihrer Zeit widerspiegeln. Von den puderbedeckten Perückenmachern des 18. Jahrhunderts bis zu den modernen Stylisten von heute hat sich das Friseurhandwerk stets an die Bedürfnisse und Schönheitsideale seiner Zeit angepasst. Die Geschichte des „Merlan“ ist somit nicht nur eine Anekdote über einen Spitznamen, sondern auch eine Hommage an die Kreativität und den Wandel in der Welt der Haarkunst.

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